Ein Statement von Herrn Greiner in der: vorwärts – Die Zeitung der deutschen Sozialdemokratie
- Wenn Bundesministerin Franziska Giffey bei der Eröffnung der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) dazu aufgefordert hat, auch einmal positiv über das zu sprechen, was in der Pflege alles funktioniert, dann kann man ihr dafür nur dankbar sein. Nur wer von sich selbst überzeugt ist, kann andere überzeugen. Wer will schon dort arbeiten wo der angebliche „Pflegenotstand“ herrscht?
- Wir müssen mit Fakten gegen die Fakenews in der Altenpflege kämpfen. Fakt ist: von 1999 bis 2015 haben über 460.000 Menschen begonnen, in der Altenpflege zu arbeiten. Wie kann man da zum Ergebnis kommen, dass niemand in der Altenpflege arbeiten möchte? Wir haben Jahr für Jahr Ausbildungsrekorde in der Altenpflege. Im vergangenen Jahr haben 28.000 junge Menschen die Ausbildung zur Altenpflegefachkraft begonnen. Wie kann man dann schreiben, dass dieser Beruf ein Problem mit jungen Menschen hat, wenn derzeit insgesamt über 65.000 Jugendliche in der Altenpflege ausgebildet werden? Oder: das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit hat nachgewiesen, dass Pflegekräfte mit die höchste Berufstreue haben (19 Jahre lt. Bundesagentur für Arbeit). Wem nützt dieses mediale Feuerwerk an depressiven Meldungen?
- Deutschlandweit gibt es in der Altenpflege ausreichend Hilfs- und Betreuungskräfte. Wir brauchen mehr Fachkräfte. Deshalb: Wir sollten schnellstmöglich 15.000 Hilfskräfte zu Fachkräften weiterbilden. Wir sollten das Modell unseres Mitgliedsunternehmens Vita Akademie aus Niedersachsen bundesweit ausrollen. Dabei werden Hilfskräfte in einem Modulsystem von 188 Stunden in der medizinischen Behandlungspflege umfassend qualifiziert. Nach erfolgreichem Abschluss könnten die so qualifizierten Hilfskräfte auf die Fachkraftquote angerechnet werden. Deshalb:
- Umstellung auf ein dreistufiges Qualifikationsmodell wie es ähnlich in der Schweiz und in Österreich gut funktioniert. Deshalb:
- Mehr Hilfs- und Betreuungskräfte, weniger Fachkräfte. Fachkräfte machen ausschließlich medizinische Behandlungspflege. Wegfallende Fachkraftstellen werden mit dem Faktor 1,2 in Betreuungs- bzw. Hilfskraftstellen umgewandelt.
- In einem Sofortprogramm sollten wir 15.000 ausländische Fachkräfte nach Deutschland holen. Dafür benötigen wir eine Anlaufstelle beim Bundesgesundheitsministerium oder beim Bundesarbeitsministerium, die für ganz Deutschland die Anerkennung aller ausländischen Abschlüsse prüft und abschließend entscheidet, dies solange, bis das Einwanderungsgesetz von Herrn Heil steht und funktioniert.
- Wir brauchen weniger Ideologie und mehr Pragmatismus. Die Generalistik in der Pflegeausbildung bringt Gewinner und Verlierer. Gewinner sind die Krankenhäuser, die großen Städte und die Abiturienten. Verlierer sind die Altenheime, das flache Land und die Hauptschüler. In der Umsetzung müssen wir alles dafür tun, dass nicht mit den Füßen abgestimmt wird. Viele Hauptschüler trauen sich die Ausbildung nicht mehr zu und die Unternehmen bilden wegen des entstehenden generalistischen Bürokratiemonsters nicht mehr aus.
- Bessere Bezahlung ist kein Allheilmittel. Heute zahlt das Krankenhaus mehr als das Altenheim und hat trotzdem große Personalsorgen. Die Schweiz zahlt besser als Deutschland und hat ebenfalls Personalsorgen. Wenn wir eine bessere Bezahlung der Altenpflege wollen, dann gibt es nur einen Weg. Die (eventuelle vergrößerte) Kommission zur Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen in der Pflege. Dort verhandelt ver.di mit allen Arbeitgebern, dort sind die Kirchen eingebunden, dort braucht es keinen Tarifausschuss. Dort droht am wenigsten eine Prozessflut. Außerdem hat die einst vom Bundesfinanzminister Olaf Scholz erfundene Kommission schon dreimal bewiesen, dass sie nach harten Verhandlungen gute Ergebnisse – etwa beim Pflegemindestlohn – erzielen kann.
- Wir müssen die Kosten und damit die Zuzahlungen im Auge behalten. Wenn man die Vorschläge betrachtet, vom allgemeinverbindlichen Tarifvertrag auf dem Niveau des TVöD (Karl-Josef Laumann), Ost-West-Angleichung bei der Bezahlung, bundeseinheitliche Personalschlüssel, gleiche Bezahlung im Altenheim wie im Krankenhaus etc., dann muss man fragen: denkt hier jemand an die gewaltigen Steigerungen bei den Zuzahlungen für alte Menschen und Kommunen.
- Unser Anspruch muss eine gute und bezahlbare Pflege für alle sein. Wir müssen die Lösungen großmachen, und nicht die Probleme.