Pflege ist ein zentrales Thema unserer älter werdenden Gesellschaft. Laut der letzten offiziellen Pflegestatistik von 2021 gibt es mittlerweile 5 Millionen Pflegebedürftige. Um sie zu versorgen, arbeiten schon heute mit deutlich mehr als 1,2 Millionen Beschäftigten mehr Menschen in der Pflege als in der deutschen Automobilindustrie. Aufgrund des demografischen Wandels wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen und auch der Beschäftigten bis zum Jahr 2050 mehr als verdoppeln. Pflege in Deutschland braucht Zukunft – weil eine Zukunft ohne Pflege nicht funktioniert.
Und die zentrale Frage für die Zukunft lautet: Was ist eigentlich gute Pflege und wie wird sie umgesetzt?
Bei der Suche nach dieser Antwort müssen private, kirchliche, gemeinnützige und kommunale Träger mit der Politik gemeinsam nach verlässlichen Rahmenbedingungen suchen.
Der Arbeitgeberverband Pflege e.V. (AGVP) ist seit 2009 die politische, wirtschaftliche und tarifliche Interessensvertretung von 955 Mitgliedsunternehmen mit rund 80.000 Mitarbeitern.
Dazu gehören die namhaftesten und größten Unternehmen der Altenpflege. Rund 65.304 pflegebedürftige Menschen in Deutschland werden von unseren Mitgliedsunternehmen betreut. Der Arbeitgeberverband Pflege tritt für die Geschlossenheit der Branche ein und kooperiert mit den wesentlichen Vertretern der Sozialwirtschaft und branchennahen Unternehmen. Die Mitglieder des Verbandes setzen sich gemeinschaftlich für eine zukunftsfähige Gestaltung der Altenpflege und für neue Wege bei der Gewinnung von Fach- und Führungskräften ein.
Als starkes Bündnis gestaltet der AGVP gemeinsam mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) in der für fünf Jahre berufenen Pflegekommission die Arbeitsbedingungen und Löhne für die Altenpflege.
Deutschland droht ein Heimsterben, warnt Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege (AGVP). Er fordert in der aktuellen Notlage eine Finanzspritze für die Heime und die Abschaffung unrealistischer Personalschlüssel. Außerdem müssten Pflegekassen, Länder und Kommunen ihren gesetzlichen Finanzierungspflichten nachkommen und die Bundesregierung müsse in den Krisenmodus schalten.
Die Altenpflege in Deutschland steht unter enormen Druck: Die Eigenbeiträge der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen erreichen neue Höchststände, die hohe Inflation lässt die Kosten explodieren, Pflegefachkräfte werden händeringend gesucht, die Fachkräftezuwanderung wird bürokratisch verbummelt und Pflegeheime müssen wegen Insolvenz schließen.
AGVP-Präsident Thomas Greiner fordert die Bundesregierung auf, in den Krisenmodus zu schalten und die Probleme anzupacken: „Wir müssen uns in der Pflegepolitik von Illusionen verabschieden und der Wirklichkeit zuwenden. Derzeit kalkulieren wir mit Belegungszahlen, die nicht mehr stimmen, mit Personal, das wir nicht haben, und betrachten uns als Magnet für ausländische Fachkräfte, der wir nicht sind.“
Drei Sofortmaßnahmen fordert der AGVP, um ein Heimsterben zu verhindern. Kurzfristig seien Finanzhilfen für die Pflegeeinrichtungen erforderlich, um die Heime vor der Insolvenz zu schützen. Außerdem müsse sich die Finanzierung der Einrichtungen an realistischen Belegungszahlen orientieren. Derzeit sei eine Belegung von 96 bis 98 Prozent erforderlich, um die gesetzlich vorgeschriebene wirtschaftliche Betriebsführung zu ermöglichen. Die durchschnittliche Belegung liege aber zum Beispiel bei den AGVP-Mitgliedsunternehmen lediglich bei 82 Prozent. Neben den Folgen der Pandemie ist auch der Fachkräftemangel ein Grund für die niedrige Belegung der Pflegeheime.
Deshalb fordert Greiner zweitens, sich von den unrealistischen Personalschlüsseln zu verabschieden: „Alle reden vom Arbeitskräftemangel, aber in der Altenpflege werden Personalvorgaben gemacht, als gäbe es in den Heimen eine Bewerberschwemme. Hier wird mit Phantom-Pflegekräften geplant – bis zum bösen Erwachen, wenn die Betreiber wegen Personalmangel das Heim schließen müssen. Wir müssen uns von diesem Goldstandard verabschieden.“ Schon jetzt müssten viele Heime Pflegebedürftige trotz leerer Betten abweisen, weil sie die strengen Personalschlüssel nicht einhalten können. Der Personalschlüssel lasse den Betrieben kaum Spielraum für eine realistische Personalplanung und gefährde im schlimmsten Fall die Versorgung. Mehr Flexibilität, die sich an der Wirklichkeit orientiert statt Personalschlüssel, die in Theoriestuben erdacht wurden – dafür plädiert der AGVP-Präsident.
Drittens: Der Arbeitgeberverband Pflege fordert die Länder, Kommunen und Pflegekassen auf, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen und die Finanzierung der Altenpflege sicherzustellen. So würden die Länder ihre Pflicht, die Investitionskosten von Pflegeeinrichtungen zu finanzieren, nur unzureichend erfüllen. Auch die Vergütung durch die Pflegekassen entspreche nicht der gesetzlichen Vorgabe, einen wirtschaftlichen Betrieb von Pflegeeinrichtungen zu ermöglichen. Die Kommunen wiederum springen zwar ein, wenn Pflegebedürftige ihren Eigenanteil nicht mehr aufbringen können. Sie lassen sich damit aber mehrere Monate Zeit, in denen die Pflegeanbieter die Kosten tragen müssten. Greiner kritisiert das Verhalten von Kassen, Kommunen und Ländern: „Die Pflegeeinrichtungen brauchen jeden Euro, der ihnen zusteht, um sich in der Krise über Wasser zu halten. Denn Pflegeheime sind keine Banken, die über Monate Geld vorstrecken können. Deshalb die eindringliche Forderung an Länder, Kommunen und Kassen: Haltet die Gesetze ein!“
Gemeinsame Stellungnahme des Arbeitgeberverbandes Pflege e.V. und der Bundesarbeitsgemeinschaft Ausländische Pflegekräfte zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
Der Arbeitgeberverband Pflege e.V. (AGVP) und die Bundesarbeitsgemeinschaft Ausländische Pflegekräfte (BAGAP) begrüßen ausdrücklich die Weiterentwicklung der bestehenden Gesetze und Verordnungen zur Förderung der Zuwanderung qualifizierter Personen aus dem Ausland. Vor allem die Öffnung, künftig auch Pflegehilfskräfte aus Drittstaaten mit anerkennungsfähiger Qualifikation beschäftigen zu können, wird eine wichtige Möglichkeit für die Arbeitgeber in der Pflege sein, um die Vorgaben für mehr Assistenzkräfte ab Juli 2023 erfüllen zu können. Des Weiteren begrüßen wir die geplanten Ausnahmen für Beschäftigte ab 45 Jahren, da für die Pflegebereiche auch immer mehr ältere Pflegefachkräfte angeworben werden. Die Entfristung der Balkanregelung ist mehr als überfällig, ebenso die Aufstockung der Kontingente und deren regelmäßige Überprüfung. Interessant ist, dass geprüft werden soll, auf welche Länder eine solche Sonderregelung zur beschleunigten Zuwanderung noch angewandt werden kann.
Leider sind insbesondere die Erleichterungen zur Aufnahme einer Beschäftigung in Deutschland mittels Anerkennungspartnerschaften nur für die nicht-reglementierten Berufe vorgesehen. Das ist aus unserer Sicht nicht mehr zeitgemäß. Das hilft insbesondere im Wettbewerb um Pflegekräfte mit anderen Ländern nicht weiter. Statt an Bürokratie und langwierigen Anerkennungsverfahren durch Einzelfallprüfungen festzuhalten, müssen die gleichen Arbeitsmarktzutrittserleichterungen auch für reglementierte Berufe gelten.
Des Weiteren ist unverständlich, weshalb neue Sanktionsmöglichkeiten für Arbeitgeber geschaffen werden sollen, die die Bundesagentur für Arbeit dazu berechtigen, Arbeitgeber für bis zu fünf Jahre von der zustimmungspflichtigen Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmenden auszuschließen. Nicht nachvollziehbar ist zudem, weshalb den Ländern weiterhin obliegen soll, die oft kritisierten Hemmnisse der Dezentralisierung im Anerkennungsverfahren eigenständig zu regeln. Die Wartezeiten in den einzelnen Behörden auf Bescheide hat insbesondere in 2022 weiter zugenommen, teilweise wegen langer Fehlzeiten der zuständigen Mitarbeitenden in den Behörden und teilweise wegen offener Stellen, die nicht zeitnah besetzt werden können, weshalb es mittlerweile Anerkennungsbehörden gibt, die darum bitten, keine Anträge zum beschleunigten Fachkräfteverfahren zu stellen, da diese nicht bearbeitet werden können. Es hilft nicht, wenn Prozesse auf dem Papier existieren, aber in der Praxis nicht umgesetzt werden können. Deshalb sind dringend pragmatische und praxisnahe Lösungen gefragt, die standardisierte Verfahren, Planbarkeit und echte Beschleunigung ermöglichen.
Im Referentenentwurf fehlen allerdings auch Verbesserungen, die allen Beteiligten nützen können, dazu gehören Erleichterungen bei den Anerkennungsverfahren, die Möglichkeit der Fiktionsbescheinigung für reglementierte Berufe, als auch die Regelung des Aufenthaltes, wenn die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und eine Fachkrafttätigkeit begonnen werden kann.
Ohne Zuwanderung werden viele Branchen Leistungen einstellen oder Aufträge absagen müssen. Und dazu gehören auch die Berufe in der Pflege!
Was die Arbeitgeber und vor allem die zuwanderungswilligen Personen aus dem Ausland benötigen, sind:
- Unbürokratische Prozesse und schnelle Entscheidungen der Behörden. Mittlerweile können aufgrund von Personalmangel in den Behörden die gestellten Anträge sehr häufig nicht mehr zeitnah und schon gar nicht in der vorgesehenen gesetzlichen Frist von vier Monaten bearbeitet werden. Deshalb ist die bundesweit einheitliche Standardisierung der Anträge und einzureichenden Unterlagen zwingend notwendig, um Zeit und Ressourcen zu sparen.
- Eine elektronische Akte für alle Behörden mit allen notwendigen Unterlagen. Es reicht nicht, nur die Antragstellung zu digitalisieren. Eine elektronische Akte, auf die alle Behörden zeitgleich auf die benötigten Unterlagen zugreifen, um die notwendigen Bescheide ausstellen zu können, spart Zeit und ermöglicht den Antragstellern den aktuellen Stand der Bearbeitung unkompliziert abzurufen, ohne permanent bei den Behörden nachfragen zu müssen.
- Mehr Flexibilität und Entscheidungskompetenz des Arbeitgebers. Auch die vorgesehene Anpassung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes wird kaum Änderungen für reglementierte (auf Länderebene geregelte) Berufe mit sich bringen. Warum dürfen nicht die Arbeitgeber in der Pflege entscheiden, wer für die ausgeschriebene Stelle qualifiziert ist?
- Planbarkeit und Gewissheit, wann die Einreise endlich erfolgen. Momentan verlieren wir vor allem viele Pflegekräfte, die in den Drittstaaten teilweise bis zu 1,5 Jahre warten, um endlich nach Deutschland ausreisen zu können. Viele andere Länder werben mittlerweile ganz gezielt im Ausland Gesundheitspersonal an, haben sogar die Zuwanderungshürden soweit gesenkt, dass ab dem Zeitpunkt der Anwerbung bis zur Einreise maximal drei Monate vergehen. Ergo entscheiden sich die schon sehr gut qualifizierten Pflegekräfte lieber für das Land, wo sie schnell einwandern und als Fachkraft Geld verdienen können.
Deutschland verspielt seine Chancen mit starren Bürokratiehürden und Einzelfallprüfungen. It’s time for a change.
Lesen Sie die vollständigen Stellungnahmen hier:
2023.03.07_AGVP_BAGAP_Stellungnahme Gesetzesentwurf
2023.03.08_AGVP_BAGAP_Stellungnahme Verordnungsentwurf