Stellungnahme des Arbeitgeberverbandes Pflege e.V. zum Referentenentwurf eines Entwurfes eines Gesetzes zur Stärkung der Pflegekompetenz (Pflegekompetenzgesetz – PKG) des Bundesministeriums für Gesundheit mit Stand vom 23.06.2025Zusammenfassung
Die Anzahl der pflegebedürftigen und zu versorgenden Menschen wird weiter steigen. Das Personal, um diese Menschen zu versorgen, wird demografisch bedingt sinken. Ob dieses Gesetz dazu beitragen wird, die bereits laufende Versorgungskrise zu lindern oder sogar aufzuhalten, bleibt abzuwarten. Es gibt einige wichtige und gute Punkte, wie die geplante Kompetenzerweiterung der Pflegefachkräfte, die Erweiterung der pflegerischen Versorgungsmöglichkeiten und die Verbesserungen der Verfahren zur Vergütungsvereinbarung, die vielversprechend und zukunftsweisend sind. Allerdings ist völlig unverständlich, weshalb der Gesetzgeber sich gerade bei der Planung der pflegerischen Infrastruktur, also bei der Bereitstellung pflegerischer Dienste und Einrichtungen, dafür entscheidet, diese künftig in kommunale Hände legen zu wollen, indem auch der Kontrahierungszwang aufgelöst werden soll.
Der Arbeitgeberverband Pflege e.V. (AGVP) bezweifelt, dass die Kommunen in der Lage sein werden, die große Frage zur Zukunft der pflegerischen Versorgung lösen zu können, indem sie künftig bestimmen sollen, wer Pflegeeinrichtungen oder ambulante Dienste eröffnen darf. Denn die Zahlen zu den Insolvenzen und Schließungen zeigen eines deutlich: Es wird sich künftig nicht die Frage stellen, wen man zur Erbringung pflegerischer Leistungen auswählen kann, sondern ob es überhaupt noch Unternehmen geben wird, die Pflegeleistungen anbieten werden. Insbesondere in ländlichen Gebieten kann die pflegerische Versorgung schon heute nicht mehr überall sichergestellt werden. Deshalb müsse der Gesetzgeber verlässliche Rahmenbedingungen für eine sichere Finanzierung und ein investitionsfreundliches Klima schaffen, damit neue Pflegeplätze errichtet und die dringend benötigte Infrastruktur aufgebaut werden können. Die Kommunen mit ihren klammen Kassen werden das nicht leisten können, sonst würden sie schon heute die getätigten Investitionen der Pflegeunternehmen über die vereinbarten Investitionskostensätze vollumfänglich finanzieren, insbesondere auch die mit den Pflegekassen vereinbarten Sätze für die Leistungen zur „Hilfe zur Pflege“.
Mit der Auflösung des Kontrahierungszwangs und der vorgesehenen Kommunalplanung schafft der Gesetzgeber die Altenpflege ab, anstatt sie zu fördern und die Kapazitäten auszubauen. Die Bedingungen führen schon heute dazu, dass Unternehmen teilweise unverschuldet in die Insolvenz geraten, weil sie monatelang auf die Zahlung der Pflegekassen und Sozialhilfeträger warten müssen und dann noch nicht mal eine rechtliche Handhabe haben, zeitnah die ihnen zustehende Vergütung der pflegerischen Leistungen zu erhalten. Ein Scheitern des Pflegesystems steht kurz bevor.
Wer die gesetzlichen Vorgaben und Bedingungen erfüllt, pflegerische Leistungen erbringen zu können, dem darf auch zukünftig nicht verwehrt werden, den Versorgungsvertrag dafür mit den Pflegekassen zu schließen. Immerhin haben die Pflegekassen einen Sicherstellungsauftrag zu erfüllen. Da sollte es auch in deren Interesse sein, dass das Angebot an pflegerischen Leistungen in allen Regionen groß genug ist, um die steigende Anzahl pflegebedürftiger Menschen versorgen zu können. Die Wahlmöglichkeit sollten die Pflegebedürftigen mit ihren Angehörigen haben, welche Form der pflegerischen Versorgung sie in Anspruch nehmen möchten. Nicht jeder hat An- oder Zugehörige, die im Ernstfall die Pflege zuhause übernehmen können oder es sich nicht zutrauen, weil die erforderliche Versorgung pflegebedürftiger Angehöriger die persönlichen Kompetenzen übersteigt. Deshalb ist es aus Sicht des AGVP sinnvoll, den Rechtsanspruch auf pflegerische Versorgung im Gesetz zu verankern, um das Risiko zu minimieren, dass Menschen am Ende unversorgt sind.
Mit steigender Lebenserwartung nehmen jedoch auch die schweren und schwerstpflegebedürftigen Fälle zu, die mehrheitlich stationär versorgt werden. Insofern müssen Maßnahmen und Regelungen getroffen werden, damit die Zahl der Versorgungsangebote weiter steigt und nicht durch eine gesetzlich unterstützte Selektion und Auflösung des Kontrahierungszwangs reduziert wird. Wer wird künftig noch in den Ausbau oder die Neugründung von Pflegeunternehmen und -diensten investieren, wenn nach all den bereits unternommenen Schritten und getätigten Investitionen unklar ist, ob man überhaupt einen Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen erhalten wird?
Wer jetzt fordert, dass Pflege künftig nur noch von freigemeinnützigen oder kommunalen Unternehmen erbracht werden darf, verkennt völlig die Entwicklung der letzten 30 Jahre. Die Öffnung der pflegerischen Versorgung Mitte der 90er Jahre war das Bekenntnis der Kommunen, dass der Aufbau und Ausbau der benötigten pflegerischen Infrastruktur nicht ohne privatwirtschaftliche Investitionen geht. Und ohne diese Investitionen in Milliardenhöhe hätten wir nicht die Vielfalt der zahlreichen ambulanten Dienste, stationären Pflegeheime und Einrichtungen für Betreutes Wohnen.
Dazu gehört auch, dass Versorgungsformen, die sich bewährt haben und wissenschaftlich evaluiert wurden, endlich in die Regelversorgung übernommen werden und dauerhaften Bestandsschutz erhalten müssen. Mit Blick auf die demografische Entwicklung Zunahme der Anzahl der pflegebedürftigen Menschen bei gleichzeitigem altersbedingtem Ausscheiden der Mitarbeitenden sind solche innovativen Versorgungsstrukturen wichtig, um Pflegebedürftige versorgen zu können, die nicht mehr zu Hause betreut werden können, die aber auch nicht in eine stationäre Pflegeeinrichtung gehen möchten.
Zudem ist es an der Zeit, die Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen der Pflegebedürftigen herauszulösen und die Zuschläge für das Pflegepersonal regelhaft steuerfrei zu stellen, denn Pflegeunternehmen können ihre Dienstleistung nicht einfach ins Ausland verlagern, wenn die Kosten zu hoch werden.
Wenn es auch in Zukunft noch professionelle Pflege in Deutschland geben soll, müssen die Pflegeunternehmen als Dienstleister an der Gesellschaft anerkannt und nicht nur in Krisensituationen, wie in der Corona-Zeit, beklatscht werden. Es braucht zwingend verlässliche Rahmenbedingungen und ein klares Bekenntnis für die Trägerpluralität!
Pflegeunternehmen müssen wirtschaften können, brauchen dafür verlässliche Rahmenbedingungen und keine überbordende Bürokratie, realitätsferne Verfahren zur Begleichung ihrer Kosten oder gesetzliche Einengungen, die sie zur Aufgabe oder in die Insolvenz treiben. Und das betrifft alle Träger gleichwohl – freigemeinnützige, kirchliche, kommunale und private Pflegeunternehmen.
Die Absicherung der pflegerischen Angebote und der knapp 1,3 Mio. Arbeitsplätze muss Top-Priorität für die Bundesregierung haben! Denn ohne funktionierende Pflegeinfrastruktur wird der Aufschwung in Deutschland ausbleiben.
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