Umfrage: Angehörige zu pflegen, für Mehrheit der Deutschen keine Option
• Nur rund 44 Prozent der Befragten möchten und können Angehörige selbst versorgen
• Jeder dritte Deutsche sieht sich nicht in der Lage, Angehörige zu Hause zu pflegen
• AGVP: Lösung der Pflegekrise durch Hausfrauen-Pflege ist eine Illusion
Nicht einmal die Hälfte (43,7 Prozent) der Deutschen kann und möchte pflegebedürftige Angehörige selbst versorgen. Jeder Dritte (34,4 Prozent) sieht sich aufgrund der eigenen Lebensumstände nicht in der Lage, die pflegebedürftigen Verwandten zu Hause zu pflegen, etwa jeder Zehnte (10,7 Prozent) möchte es nicht. Das sind die Ergebnisse der kürzlich durchgeführten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag des Arbeitgeberverbandes Pflege (AGVP).
Für den AGVP-Präsidenten Thomas Greiner sind diese Umfrageergebnisse keine Überraschung: „Wer sich zu Hause um Eltern und Großeltern kümmert, verdient Respekt und Anerkennung. Aber wir leben nicht mehr in einer Zeit, in der Frauen für Heim, Herd und Pflegebett zuständig waren, während die Männer zur Arbeit gingen. Die Lösung der Pflegekrise durch eine Hausfrauen-Pflege ist eine Illusion von Leuten, die zu viele Heimatfilme aus den fünfziger Jahren geschaut haben.“
Auch AGVP-Geschäftsführerin Isabell Halletz kritisiert die Pläne der Bundesregierung, die häusliche Pflege einseitig zu fördern und warnt vor den Folgen für Frauen. Sie ergänzt: „Wenn die Bundesregierung weiter auf die Versorgung durch Angehörige setzt, fördert sie vor allem bei Frauen die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie setzt damit die hart erkämpfte Unabhängigkeit aufs Spiel. Ich verstehe nicht, wie die Frauen in der SPD und der Union diesen Kurs mittragen können.“
AGVP-Präsident Greiner warnt außerdem vor den wirtschaftlichen Folgen einer Politik, die einseitig auf die häusliche Versorgung setzt: „Was macht eigentlich der Wirtschaftsflügel der Union beruflich? Wenn die Menschen, also vor allem die Frauen, zuhause bleiben müssen, um ihre Angehörigen zu pflegen, dann fehlen diese wertvollen Fachkräfte dem Arbeitsmarkt. Man kann doch nicht jahrelang den Fachkräftemangel beklagen und dann die Fachkräfte lahmlegen mit einer Heim-und-Herd-Pflegepolitik.“
Laut Umfrage gibt es bei der Bereitschaft und Fähigkeit zur Angehörigenpflege kaum regionale Unterschiede. Auch Alter und Geschlecht haben keinen nennenswerten Einfluss. Derzeit hat laut Umfrage jeder vierte Befragte einen nahen Angehörigen mit Pflegebedarf – wegen der älter werdenden Gesellschaft ist von einem starken Anstieg auszugehen.
Greiner fordert mehr Pragmatismus und Lebensnähe in der Pflegepolitik: „Natürlich wollen alte Menschen nicht ins Pflegeheim, sondern so lange wie möglich zu Hause bleiben – das will doch jeder. Aber die meisten Älteren wollen auch ihren Kindern nicht zur Last fallen. Pflegepolitik muss es möglich machen, dass ältere Menschen, wenn es die Gesundheit erlaubt, frei entscheiden können, wo und wie sie ihren Lebensabend verbringen. Wenn man die häusliche Pflege finanziell fördert und der professionellen Gemeinschaftsversorgung zum Beispiel im Pflegeheim den Geldhahn zudreht, dann gibt es keine freie Entscheidung mehr. Dann sterben erst die Heime und dann die Entscheidungsfreiheit. Dann muss die Familie einspringen, ob sie will oder nicht.“
Deshalb müsse der Zukunftspakt Pflege eine „Offensive Gemeinschaftsversorgung“ beinhalten, die die Schaffung professioneller pflegerischer Versorgung in allen Versorgungsformen ermöglicht, erklärt Greiner: „Heimbetreiber und Investoren brauchen Klarheit über den politischen Willen, Pflegeplätze zu schaffen. Die unrealistischen Personalschlüssel gehören abgeschafft – sie verhindern eine bedarfsgerechte Versorgung. Wir brauchen stattdessen einen Fokus auf Ergebnisqualität sowie mehr Effizienz, Innovation und Vertrauen in unternehmerische Verantwortung, um die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen zu sichern.“
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