Video – Nachgefragt bei Thomas Greiner (Präsident des Arbeitgeberverband Pflege e.V.)
Video - Nachgefragt bei Thomas Greiner (Präsident des Arbeitgeberverband Pflege e.V.)
Pflege ist ein zentrales Thema unserer älter werdenden Gesellschaft. Schon laut der letzten offiziellen Pflegestatistik von 2021 gab es 5 Millionen Pflegebedürftige. Im November 2023 belief sich ihre Zahl nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums bereits auf 5,4 Millionen. Um sie zu versorgen, arbeiten schon heute knapp 1,7 Millionen Menschen in der Pflege – das sind mehr als doppelt so viele Beschäftigte wie in der deutschen Automobilindustrie.
Aufgrund des demografischen Wandels wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2050 auf 7,5 Millionen erhöhen – eine Steigerung von 50 Prozent verglichen mit 2021. Dementsprechend ist auch ein massiver Ausbau der verfügbaren Pflegeplätze notwendig. Pflege in Deutschland braucht Zukunft – weil eine Zukunft ohne Pflege nicht funktioniert.
Und die zentrale Frage für die Zukunft lautet: Was ist eigentlich gute Pflege und wie wird sie umgesetzt?
Bei der Suche nach dieser Antwort müssen private, kirchliche, gemeinnützige und kommunale Träger mit der Politik gemeinsam nach verlässlichen Rahmenbedingungen suchen.
Der Arbeitgeberverband Pflege e.V. (AGVP) ist seit 2009 die politische, wirtschaftliche und tarifliche Interessensvertretung von 955 Mitgliedsunternehmen mit rund 80.000 Mitarbeitern.
Dazu gehören die namhaftesten und größten Unternehmen der Altenpflege. Rund 65.304 pflegebedürftige Menschen in Deutschland werden von unseren Mitgliedsunternehmen betreut. Der Arbeitgeberverband Pflege tritt für die Geschlossenheit der Branche ein und kooperiert mit den wesentlichen Vertretern der Sozialwirtschaft und branchennahen Unternehmen. Die Mitglieder des Verbandes setzen sich gemeinschaftlich für eine zukunftsfähige Gestaltung der Altenpflege und für neue Wege bei der Gewinnung von Fach- und Führungskräften ein.
Als starkes Bündnis gestaltet der AGVP gemeinsam mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) in der für fünf Jahre berufenen Pflegekommission die Arbeitsbedingungen und Löhne für die Altenpflege.
Der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) sieht in den Beschlussentwürfen des Zukunftspakts Pflege erstmals reale Lichtblicke für mehr Pflegeplätze und Versorgungssicherheit – auch wenn viele Fragen offenbleiben. Er fordert von Bund und Ländern nun den Mut, die Reformideen entschlossen umzusetzen.
Der AGVP begrüßt den angestrebten Abbau realitätsferner Personalquoten. Es ist richtig, die ordnungsrechtlichen Fachkraftquoten der Länder abzuschaffen. An ihre Stelle treten die flexibleren sozialrechtlichen Vorgaben auf Bundesebene und die Kompetenzen von Pflegekräften aller Qualifikationsniveaus werden anerkannt. Positiv und überfällig ist es, die Altenpflege für Innovationen zu öffnen – von KI und Digitalisierung bis zu neuen Versorgungsmodellen. Das Bekenntnis zu einer neuen Vertrauenskultur ist vielversprechend, muss aber mit Leben gefüllt werden.
AGVP-Präsident Thomas Greiner erklärt:
„Die Entwürfe des Zukunftspakts Pflege haben mich positiv überrascht: Die Regierungen in Bund und Ländern scheinen endlich erkannt zu haben, dass die Versorgung in der Altenpflege nicht mehr sicher ist. Von den unausgereiften Vorstellungen einer massenhaften Hausfrauen-Pflege ist kaum etwas übriggeblieben. Stattdessen stehen Ideen im Fokus, die tatsächlich Pflegeplätze schaffen könnten – richtig so, denn das muss der Maßstab für die Kommission sein. Der Abbau starrer Personalschlüssel schafft Pflegeplätze, auch wenn noch mutigere Schritte wünschenswert wären. Digitalisierung und KI können zu einem spürbaren Produktivitätssprung und damit zum Ausbau von Pflegeplätzen führen, beispielsweise durch die Einführung und Anerkennung digitaler Mitarbeit.
Die Vorschläge des Zukunftspakts Pflege sind ein Anfang. Entscheidend ist, dass aus dem kurzen Lichtblick jetzt eine Dauerbeleuchtung für mehr Versorgungssicherheit wird. Die Regierung muss die Vorschläge entschlossen umsetzen, sonst wird aus dem Zukunftspakt Pflege ein leeres Versprechen für die Pflegebedürftigen.“
20251211_PM_Zukunftspakt Pflege_Endlich Hoffnung auf mehr Pflegeplätze
Umfrage: Angehörige zu pflegen, für Mehrheit der Deutschen keine Option
• Nur rund 44 Prozent der Befragten möchten und können Angehörige selbst versorgen
• Jeder dritte Deutsche sieht sich nicht in der Lage, Angehörige zu Hause zu pflegen
• AGVP: Lösung der Pflegekrise durch Hausfrauen-Pflege ist eine Illusion
Nicht einmal die Hälfte (43,7 Prozent) der Deutschen kann und möchte pflegebedürftige Angehörige selbst versorgen. Jeder Dritte (34,4 Prozent) sieht sich aufgrund der eigenen Lebensumstände nicht in der Lage, die pflegebedürftigen Verwandten zu Hause zu pflegen, etwa jeder Zehnte (10,7 Prozent) möchte es nicht. Das sind die Ergebnisse der kürzlich durchgeführten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag des Arbeitgeberverbandes Pflege (AGVP).
Für den AGVP-Präsidenten Thomas Greiner sind diese Umfrageergebnisse keine Überraschung: „Wer sich zu Hause um Eltern und Großeltern kümmert, verdient Respekt und Anerkennung. Aber wir leben nicht mehr in einer Zeit, in der Frauen für Heim, Herd und Pflegebett zuständig waren, während die Männer zur Arbeit gingen. Die Lösung der Pflegekrise durch eine Hausfrauen-Pflege ist eine Illusion von Leuten, die zu viele Heimatfilme aus den fünfziger Jahren geschaut haben.“
Auch AGVP-Geschäftsführerin Isabell Halletz kritisiert die Pläne der Bundesregierung, die häusliche Pflege einseitig zu fördern und warnt vor den Folgen für Frauen. Sie ergänzt: „Wenn die Bundesregierung weiter auf die Versorgung durch Angehörige setzt, fördert sie vor allem bei Frauen die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie setzt damit die hart erkämpfte Unabhängigkeit aufs Spiel. Ich verstehe nicht, wie die Frauen in der SPD und der Union diesen Kurs mittragen können.“
AGVP-Präsident Greiner warnt außerdem vor den wirtschaftlichen Folgen einer Politik, die einseitig auf die häusliche Versorgung setzt: „Was macht eigentlich der Wirtschaftsflügel der Union beruflich? Wenn die Menschen, also vor allem die Frauen, zuhause bleiben müssen, um ihre Angehörigen zu pflegen, dann fehlen diese wertvollen Fachkräfte dem Arbeitsmarkt. Man kann doch nicht jahrelang den Fachkräftemangel beklagen und dann die Fachkräfte lahmlegen mit einer Heim-und-Herd-Pflegepolitik.“
Laut Umfrage gibt es bei der Bereitschaft und Fähigkeit zur Angehörigenpflege kaum regionale Unterschiede. Auch Alter und Geschlecht haben keinen nennenswerten Einfluss. Derzeit hat laut Umfrage jeder vierte Befragte einen nahen Angehörigen mit Pflegebedarf – wegen der älter werdenden Gesellschaft ist von einem starken Anstieg auszugehen.
Greiner fordert mehr Pragmatismus und Lebensnähe in der Pflegepolitik: „Natürlich wollen alte Menschen nicht ins Pflegeheim, sondern so lange wie möglich zu Hause bleiben – das will doch jeder. Aber die meisten Älteren wollen auch ihren Kindern nicht zur Last fallen. Pflegepolitik muss es möglich machen, dass ältere Menschen, wenn es die Gesundheit erlaubt, frei entscheiden können, wo und wie sie ihren Lebensabend verbringen. Wenn man die häusliche Pflege finanziell fördert und der professionellen Gemeinschaftsversorgung zum Beispiel im Pflegeheim den Geldhahn zudreht, dann gibt es keine freie Entscheidung mehr. Dann sterben erst die Heime und dann die Entscheidungsfreiheit. Dann muss die Familie einspringen, ob sie will oder nicht.“
Deshalb müsse der Zukunftspakt Pflege eine „Offensive Gemeinschaftsversorgung“ beinhalten, die die Schaffung professioneller pflegerischer Versorgung in allen Versorgungsformen ermöglicht, erklärt Greiner: „Heimbetreiber und Investoren brauchen Klarheit über den politischen Willen, Pflegeplätze zu schaffen. Die unrealistischen Personalschlüssel gehören abgeschafft – sie verhindern eine bedarfsgerechte Versorgung. Wir brauchen stattdessen einen Fokus auf Ergebnisqualität sowie mehr Effizienz, Innovation und Vertrauen in unternehmerische Verantwortung, um die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen zu sichern.“
20251127_PM_Umfrage_Angehörige zu pflegen, für Mehrheit der Deutschen keine Option
