Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung ermittelte in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeberverband Pflege erstmals Zahlen, Daten und Fakten zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung der privaten Pflegeanbieter in Deutschland.
17. August 2011
Dr. Boris Augurzky, Kompetenzbereichsleiter Gesundheit des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), legte am heutigen Mittwoch erstmals mit dem „Faktenbuch Pflege“ umfangreiches Zahlenmaterial zur Bedeutung privater Anbieter in der stationären und ambulanten Pflege vor. Er kommt dabei zu folgenden Ergebnissen:
■ Das Volumen des deutschen Pflegemarktes wird bis 2030 auf gut 47 Mrd. Euro steigen (in 2009 lag es bei 30 Mrd. Euro).
■ 2009 gab es bereits 2,4 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland. Bis 2030 wird sich die Anzahl auf 3,2 bis 3,4 Millionen Menschen erhöhen.
■ 40 % der Pflegeheime und 62 % der ambulanten Dienste sind in privater Trägerschaft.
■ Zwischen 1999 und 2009 wurden 160.000 neue Arbeitsplätze in Pflegeheimen und ambulanten Diensten zur Verfügung gestellt, davon fast 90.000 für Pflegefachkräfte.
■ Private Pflegeeinrichtungen haben zwischen 1999 und 2009 über 125.000 neue Pflegeplätze geschaffen.
■ Die Anzahl der von privaten ambulanten Diensten gepflegten Menschen hat sich zwischen 1999 und 2009 von 123.000 auf 241.000 Fälle fast verdoppelt.
■ Das Einkommen von Pflegefachkräften liegt durchschnittlich bei 2.400 Euro.
■ Private Pflegeeinrichtungen sind im Durchschnitt 5 bis 10 % preisgünstiger als nicht-private Einrichtungen. Dies bei mindestens gleicher Pflegequalität und gleichem Pflegekräfteeinsatz (ohne trägerspezifische Förderung wären private Einrichtungen sogar 8 bis 12 % günstiger).
■ In Landkreisen mit vielen privaten Pflegeanbietern sinken auch die Preise der nicht-privaten Träger.
■ Zwischen 1999 und 2009 wurden schätzungsweise 29 Mrd. Euro in Pflegeeinrichtungen investiert, davon allein die Hälfte von privaten Trägern.
■ Bis 2020 fallen weitere 35 Mrd. Euro an Investitionen an. Zwei Drittel aller Pflegeplätze werden vermutlich in privaten Einrichtungen geschaffen.
■ Die Anzahl der privaten Pflegeeinrichtungen wird daher in den kommenden Jahrzehnten stark anwachsen.
■ Ferner werden mindestens 170.000 zusätzliche Beschäftigte (davon 75.000 Pflegefachkräfte) benötigt. Unter Berücksichtigung von Personalfluktuationen werden es sogar noch mehr sein.
■ In der Summe zahlen private Heime pro Jahr 28 Millionen Euro Steuern (nicht-private 18 Millionen Euro und weisen abgeschriebene Fördermittel in Höhe von 1,8 Millionen Euro aus (nicht-private 7,1 Millionen Euro).
■ Nach den Kriterien des GKV-Spitzenverbandes sind private Pflegeeinrichtungen qualitativ mindestens genauso gut, wie nicht-private Einrichtungen.
„Die privaten Anbieter bilden schon heute einen großen und immens wichtigen Teil der deutschen Pflegelandschaft. 40 % aller Pflegeeinrichtungen und 62 % der ambulanten Dienste befinden sich in privater Trägerschaft. Zwei Drittel aller Pflegeplätze werden zukünftig durch private Unternehmen geschaffen werden. Schon heute wäre eine flächendeckende Versorgung pflegebedürftiger Menschen ohne das Engagement privater Anbieter, die in den letzten Jahren viele Milliarden Euro investiert haben, nicht mehr möglich. Es ist wichtig zu wissen, dass sie in der Regel Ihre Leistungen um 5 bis 10 % günstiger anbieten als nicht-private Träger, auf weniger öffentliche Fördermittel zurückgegriffen haben und auch mehr Steuerabgaben zahlen“,
berichtet Dr. Boris Augurzky.
Das RWI konnte nachweisen, dass dieser Preisvorteil für Bewohner und Sozialhilfeträger nicht zu Lasten der Qualität geht.
„Die Pflegewirtschaft wird aber durch Verordnungen und Gesetzgebungen stark belastet.
Der Wegfall von Pflegesatzverhandlungen und damit ein hin zu Regelungen wie auf dem Mietmarkt, aber auch die Absenkung der Fachkraftquoten könnte einiges an bürokratischer und finanzieller Entlastung bringen. Eine Prüfinstanz sollte wohl ausreichen. Doppelprüfungen von MDK und Heimaufsicht sind wenig effektiv und belasten das Pflegepersonal in den Einrichtungen noch zusätzlich“, so Augurzky.
Thomas Greiner, Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Pflege:
“In Deutschland wird hochqualifiziert und engagiert gepflegt. Mit 970.000 Arbeitsplätzen gehört die Pflegebranche heute zu den größten Wirtschaftszweigen in Deutschland und wird angesichts der demographischen Entwicklung stark an Bedeutung zunehmen. Politik und Pflegewirtschaft werden in einem gemeinsamen Bündnis an der Zukunft der Pflege arbeiten müssen.
An dem Willen und Vermögen aller Parteien daran mitzuwirken, hege ich keinen Zweifel. Wir brauchen mehr Ausbildung, die zeitverkürzte Umschulung langjährig tätiger Hilfskräfte zu Fachkräften und die sofortige Anerkennung der in EU-Staaten erworbenen Fachabschlüsse“, so Greiner.
„Es hat sich für die Pflegewirtschaft als großer Nachteil erwiesen, die unterschiedlichen Heimgesetzgebungen von 16 Bundesländern beachten zu müssen, die durch die letzte Föderalismusreform deutlich mehr Befugnisse haben. Die rechtlichen Rahmenbedingungen gehören praktikabel entschlackt, vereinheitlicht und zwingend wieder in die Hoheit des Bundes überführt. Die kommende Pflegereform muss ein „großer Wurf“ werden, der die finanzielle Sicherheit für Pflegebedürftige und deren Angehörigen auf der einen Seite und die Rahmenbedingungen für Unternehmen und Beschäftigte auf der anderen Seite garantiert. Und dies für die kommenden Jahrzehnte.
Vielleicht ist damit die Pflegereform eine der größten Herausforderungen unserer alternden Gesellschaft, denn wir alle werden in unserem nächsten Umfeld, aber auch materiell, daran beteiligt sein“, ist sich Thomas Greiner sicher.
Medienvertretern sendet der Arbeitgeberverband Pflege das „Faktenbuch Pflege“ gerne per Mail zu.
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